Pressemitteilung zum „Positionspapier des Wirtschaftsbeirates der Stadt Fürth zum Verkehrsentwicklungsplan“

Pressemitteilung vom 26.02.2021

Gemeinsame Position der Regionalgruppen von VCD e.V., ADFC e.V., Fuss e.V., Bund Naturschutz e.V. und Families-for-Future zur nachhaltigen Verkehrsentwicklung der Stadt Fürth (VEP)

Wir leben in einer KLIMAKRISE! Um bereits 1,2°C sind die globalen Temperaturen gestiegen und mit weiterem, sogar leicht exponentiellem Wachstum der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist zu rechnen. Das macht eine schnelle und deutliche Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen (CO2 ,Methan….) essentiell wichtig. Nur so lässt sich eine Begrenzung des Anstiegs der globalen Temperaturen um 1,5°C (oder wenigstens um 2°C) bis zum Ende des Jahrhunderts erreichen und eine Klimakatastrophe verhindern. Zu diesen Zielen hat sich auch Deutschland im Klimaabkommen von Paris verpflichtet. Im Bereich der erneuerbaren Energien hat unser Land und auch die Stadt Fürth schon viel erreicht. Allerdings entstehen 19% der CO2-Emissionen im motorisierten Straßenverkehr (2018).

Die Anzahl der zugelassenen Pkw hat in Deutschland in den vergangenen 10 Jahren um jährlich 1 – 2% zugenommen (von 2014 mit 43,8 Mio. zu 2020 mit 47,7 Mio. nach Kraftfahrzeugbundesamt). Zwar wurden die spezifischen CO2-Emissionen seit 1995 durch technologische Entwicklungen um 9% je Personenkilometer reduziert. Der absolute Ausstoß an CO2 ist u.a. durch den Trend zu mehr, schwereren und PS-stärkeren Autos im gleichen Zeitraum um 3,7% gestiegen (Umweltbundesamt).

Der Verkehrsentwicklungsplan soll die Grundlage für eine zukunftsfähige, den ökologischen und ökonomischen Gegebenheiten angepasste und sozial gerechte, sichere und gesundheitserhaltende Mobilität von Menschen und Unternehmen in der Stadt legen. Nachdem die Verkehrsinfrastruktur nicht beliebig erweitert werden kann, sollte Hauptzielrichtung sein, die vorhandenen Strukturen besser, effektiver und besser im Verbund nutzen zu können. Insoweit können wir den Aussagen des Wirtschaftsbeirats der Stadt Fürth in seinem Positionspapier vom 07.10.20 eindeutig zustimmen. Die Kriterien Sicherheit, Gesundheitsschutz, Erreichbarkeit, Klimaschutz, Naturschutz, städtebauliche Ziele und Aufenthaltsqualität sind dabei zu berücksichtigen.

2018 zeigte der Modal-Split für Fürth 50% MIV, 17% ÖPNV, 23% Fußverkehr, 10% Radverkehr. Während andere Städte hier schon durch eine Umgestaltung der Verkehrsinfrastruktur den Anteil ihres MIV deutlich zugunsten des nicht motorisierten Verkehrs senken konnten, hat sich, wie auch der Wirtschaftsbeirat anmerkt, die Verkehrssituation in Fürth angespannt entwickelt. Aktuelle Daten zur Verkehrssituation in Fürth, die man bei einer Neuverteilung von Verkehrsflächen und –strömen zugrunde legen kann, gibt es aus dem Nahverkehrsplan, aus den Erhebungen für die Metropolregion (DIVAN) und der infra bei der Kommune in aussagekräftigen Umfang.

Aufgabe des neuen VEP für Fürth ist aus unserer Sicht den Anteil des MIV im Modal Split bis 2030 auf 25 % zu halbieren, den motorisierten Individualverkehr zugunsten von mehr Sicherheit langsamer zu machen, mittels Parkraummanagement die Möglichkeiten für Lieferverkehr und MIV-abhängige Personen zu verbessern, sichere Radverkehrsverbindungen zu schaffen, den Fußverkehr und ÖPNV attraktiver zu gestalten. Hierbei geht es nicht um die „Diskriminierung von Pkw-Nutzern“ oder gar „bösen oder guten Verkehr“, sondern um sinnvolle Verkehrsgestaltung unter Abwägung der individuellen und wirtschaftlichen Mobilitätsbedürfnisse, gegenüber Sicherheit und Klima- und Umweltschutz. Mit dem Wirtschaftsbeirat stimmen wir überein, dass vieles über positive Anreize, wie günstige einfache ÖPNV-Tarife (365,- €, Sozialticket), Ausbau des ÖPNV (Ringbuslinie, bessere Taktung usw.), attraktiver Radwegeausbau, Carsharing-Plätze in Laufweite und höhere Aufenthaltsqualität für den Fußverkehr erreicht werden kann.

Wir unterstützen an dieser Stelle die vom Nachhaltigkeitsbeirat einstimmig verabschiedete Empfehlung zu einer nachhaltigen Verkehrswende in Fürth vom 01.07.20 an den Stadtrat, die dann vom Umweltausschuss am 26.10.20 an den VEP-Entwicklungsprozess weiter verwiesen wurde. Im Beirat werden wir uns in diesen Entwicklungsprozess aktiv einbringen und weisen darauf hin, dass schon während des VEP-Prozesses Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Sicherheit in der Verkehrsgestaltung der Stadt sichtbar werden müssen.

Mit 17.12.2020 hat die EU (unter der Ratsleitung von Deutschland) beim Sekretariat der UNFCCC offiziell „The update of the nationally determined contribution of the European Union and it‘s Member States“ eingebracht. Damit hat sich die EU gemäß den Regeln des Pariser Klimaschutzabkommens zu gegenüber dem ersten NDC (nationally determined contribution) „more ambitious“ Maßnahmen verpflichtet. Im Wesentlichen ist dies die Verschärfung des Zieles der GHG-Emissionen der EU-27 von bisher -40% für 2030 auf -55% für 2030 (jeweils bezogen auf 1990). Unabhängig davon, ob diese erweiterten Verpflichtungen ausreichend sind oder nicht, müssen sie auf alle EU-Länder, Provinzen und Kommunen heruntergebrochen und dort umgesetzt werden.

Stadtrat und Verwaltung sind sich der großen Herausforderungen durch die beschlossenen Maßnahmen der EU und der Bundesregierung – die eventuell sogar noch weiter verschärft werden müssen – bzgl. der Reduktion der Emissionen bewusst und beginnen mit konkreten Planungen zum Klimaschutz dafür.

Dagegen scheint sich leider ein im Wirtschaftsbeirat unzeitgemäßer Widerstand zu formieren, der lieber den Status Quo erhalten möchte, anstatt sich mit einer zukunftsgerichteten und an diesen Realitäten orientierten Wirtschaftspolitik zu beteiligen und neue Konzepte für einen Einstieg in einen ökologisch vertretbaren sowie den Anforderungen der digitalisierten Welt sich stellenden stationären Handels zu entwickeln. Die Probleme waren vor Corona schon da, sind während Corona dramatisch gestiegen und werden nach Corona nicht verschwinden, auch wenn die gesamte Stadt in einen begehbaren Parkplatz umgewandelt würde.

Das vom Wirtschaftbeirat mit Datum 07.10.2020 in den Wirtschafts- und Grundstücksausschuss der Stadt Fürth vom 19.10.2020 eingebrachte Dokument mit der Überschrift „Positionspapier des Wirtschaftbeirates der Stadt Fürth zum Verkehrsentwicklungsplan“ widerspricht in wesentlichen Teilen diesen Klimaschutzzielen und auch den Erkenntnissen der Verkehrswissenschaften aus mindestens dem letzten Jahrzehnt.

Weitere Informationen zum Themenkreis:

Deutscher Städtetag: https://www.staedtetag.de/positionen/positionspapiere/nachhaltige-staedtische-mobilitaet-2018

Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/quartiersmobilitaet-gestalten

Agora: https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/

Öko Institut: https://www.oeko.de/forschung-beratung/themen/mobilitaet-und-verkehr/

Wuppertal Institut: https://wupperinst.org/themen/mobilitaet/

Messstation Mauna Loa: https://www.esrl.noaa.gov/gmd/ccgg/trends/